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Unsere Lebensräume verändern sich durch Digitalisierung.

Vom Land in die Stadt oder aus der Stadt ins Dorf – wie unsere Gesellschaft durch Digitalisierung ihre Struktur verändert.

Sie wird Digitalisierung genannt oder digitale Revolution. Von vielen auch Industrie 4.0, ein Begriff, den übrigens die Bundesregierung geprägt hat. Und so findet man inzwischen viele Begriffe in diese Richtung: Wirtschaft 4.0, Bildung 4.0 oder eben auch Dorf 4.0. Bietet denn die Digitalisierung die Möglichkeit für eine Renaissance der Dörfer?

Seit Jahrzehnten lernen wir, dass es die Menschen vom Dorf in die Stadt zieht – alle Studien und Prognosen gingen noch bis vor wenigen Jahren davon aus: im urbanen Raum ist das Leben und die Arbeit – auch in der Zukunft. Dorf bedeutet Enge und schwindende Möglichkeiten, je länger man dort bleibt. So sind viele Dörfer heute verlassen, nur „die Alten“ sind noch dort. Die Städte platzen im Gegenzug aus allen Nähten.

Kehrt sich mit der Digitalisierung der Trend „vom Dorf in die Stadt“ um?

Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, warum die Industrialisierung alle Menschen vom Dorf in die Stadt getrieben hat. Die Industrialisierung braucht eine auf „große zentrale Systeme“ ausgelegte Struktur. Das heißt zentrale Industriekomplexe, die durch eine Konzentration von viel Arbeitskraft auf einen Punkt, erst effizient werden: Fabriken. Die Menschen sind also vom Dorf in die Stadt gezogen, da es dort die besser bezahlte Arbeit für sie gab. An diesem Grundsatz hat sich lange nichts geändert. Auch heute noch ziehen wir in zentrale Büro- und Verwaltungsgebäude, da erst hier die Abstimmung zwischen den Menschen in ausreichend effizienter Form gelingt.

Die Digitalisierung bietet vollkommen neue Möglichkeiten für Strukturen

Doch das ändert sich jetzt mit der Digitalisierung. Durch sie ist der zentrale Ort nicht mehr notwendig. Die Digitalisierung denkt anders. Ein Beispiel: weit vor der Industrialisierung, im agrarwirtschaftlichen Zeitalter, wohnten wir noch weitgehend auf dem Land. Wir heizten unsere Häuser mit „Brennmaterial“ aus der Umgebung. Und war der Kamin aus, dann war die Hütte kalt.

In der Industrialisierung hat uns ein zentrales Heizkraftwerk diese Arbeit abgenommen, da es viel effizienter in einem großem „Heizkessel“ Energie erzeugen konnte, als wir zu Hause. Und viel zuverlässiger. Atomkraftwerke waren in dieser Zeit wohl so etwas wie die Effizienz-Optimierer. Diese Riesen-Heizanlagen, egal wie sie angefeuert wurden, durften aber nicht ausgehen, sonst sind gleichzeitig ganze Regionen ohne Energie (180.000 Haushalte im Münsterland ohne Strom zum Beispiel).

Jetzt in der Digitalisierung kehrt sich diese Struktur wieder um. Wir werden zum Beispiel in Kürze Solarpanel (die wie ganz normale Dachziegel aussehen) auf unseren Häusern haben und uns selber mit Energie versorgen. Wir kommen also wieder zu einer Struktur wie „vor“ der Industrialisierung zurück. Nur sind dieses Mal alle miteinander vernetzt. Fällt ein Solardach aus, bleibt das Heim nicht kalt, sondern erhält Strom aus dem weltweiten Netzwerk.

In die Städte zu ziehen ist in Zeiten der Digitalisierung nicht mehr notwendig.

Solche dezentralen Systeme sind viel sicherer als zentrale Anlagen. Und inzwischen auch dabei in Sachen Effizienz die zentralen industriellen Systeme abzulösen. Diese Grundlage ist wichtig zu verstehen, wenn man über Digitalisierung und Gesellschaft spricht. Denn zentrale Strukturen sind in der neuen digitalen Zeit nicht mehr notwendig. Allein aus diesem Grund, kann eine Dezentralisierung von Gesellschaft zukünftig wieder stattfinden.

Es kommt noch etwas Weiteres hinzu. Mit dem Kamin, den wir mit Brennmaterial selbst beheizt haben, ist es wie mit den Solardächern: niemand schickt eine Rechnung! Das Solardach gehört uns, es ist Teil des Hauses. Wir zahlen für dessen Installation und geben überschüssige Energie in ein weltweites Netzwerk. Damit ändert sich eine solche Struktur grundlegend. Energieversorger versuchen derzeit diesen Trend aufzuhalten, aber langfristig werden sie mit der derzeitigen Dienstleistung und Struktur ihrer Unternehmen in der Digitalisierung einfach keine Rolle mehr spielen. Wir sind also wieder selbstbestimmter! Ein weiterer großer Trend (und auch Vorteil) der Digitalisierung.

Mehr Selbstbestimmtheit durch digitale Strukturen

Aus dieser neuen Möglichkeit zur Selbstbestimmtheit, wird sich in der Gesellschaft mittelfristig ein neues Denken entwickeln. Die derzeit prägenden Generationen sind noch zu sehr an die industriellen Strukturen angepasst. Hier wurden wir gebildet und ausgebildet um ein funktionierendes Teil im großen Ganzen zu sein. Das wird in der Digitalisierung grundlegend anders. Hier werden wir viel mehr Verantwortung, Kreativität und Selbstbestimmtheit übernehmen und uns effizient, wenn es einen strukturellen Vorteil bietet, mit anderen vernetzen.

Das war ein längerer Exkurs. Aber er zeigt, warum der Trend wieder ins Dorf zu ziehen in Zukunft stattfinden wird. Einfach, weil die wirtschaftlichen Strukturen, und damit die Grundlage für unser gesellschaftliches Miteinander sich so grundlegend ändert, dass es schlicht und ergreifend a) nicht mehr notwendig ist, in Städte zu ziehen und b) wieder möglich ist auf dem Land zu leben. Und das schon in wenigen Jahren ohne größere Einbußen.

Schon heute ist in vielen kreativen Berufen keine Ortsgebundenheit mehr notwendig. Menschen können von „unterwegs“ arbeiten, im Büro, beim Kunden, trotzdem sind sie stets Teil des Teams. Sogar Musiker können in verschiedenen Teilen der Erde sitzen und dabei gemeinsam einen Song für ein neues Album einspielen.

„Digital Nomads“ nennt man heute noch Menschen, die kaum mehr einen festen Wohnsitz haben: ihr Laptop (oder digitales Device) ist fast alles was sie brauchen um sich im Leben zu bewegen. Selbst Kleidung lagern sie zentral und lassen sich damit über logistische Strukturen versorgen. Auch in Bezug auf einen festen Wohnsitz wird es übrigens noch gravierende Änderungen für unsere Gesellschaft geben: vielleicht werden wir nicht einmal mehr einen so festen Wohnsitz haben, wie heute noch. Also nicht entweder Stadt oder Dorf, sondern je nach dem, was das höchstmögliche Maß an Lebensqualität oder Effizienz, je nachdem was man „selbstbestimmt“ gerade mit mehr Aufmerksamkeit versieht, bringt.

Stadt oder Dorf – es wird zukünftig keine Rolle mehr spielen. Wir dürfen selbst entscheiden. Und uns vermutlich sogar öfter umentscheiden.

Der Handel passt sich neuen Strukturen der Digitalisierung an.

Auch der Handel wird sich diesen neuen Strukturen anpassen. Aktuell haben wir in ländlichen Regionen ein „Ladensterben“. Ganze Innenstädte sind ausgestorben. Zumindest entzieht es immer mehr kleinen Läden die Existenzgrundlage. Selbst Supermärkte gibt es immer weniger in dörflichen Umgebungen. Wenn, dann meist nur noch auf der „grünen Wiese“.

Das ist allerdings keine Folge des „Internet-Handels“, wie allgemein vermutet wird, sondern der Industrialisierung. Sie hat durch ihre Struktur zunehmend dafür gesorgt, dass kleinere Einheiten immer weniger Sinn machen. In dem globalen Preiskampf, in dem sich industrielle Betriebe derzeit wiederfinden, sinken die Margen für den Händler. Was zunächst zu besseren Einkaufsbedingungen und besseren Margen im Aufbau der Industrialisierung geführt hat, wird jetzt zunehmend zu einer Belastung für dieses System. Die Industrialisierung ist überreizt, neue Technologien bieten inzwischen andere Möglichkeiten. Diese können erst in einer digitalen Gesellschaftsstruktur vollständig genutzt werden. In der Industriekultur werden sie zunehmend zu einem Ballast.

Industrialisierung kills the Innenstadt.

Aufgrund der in der zum Ende gehenden Industrialisierung und den damit verbundenen immer geringeren Margen, ist die Existenz von Geschäften in Dörfern zunehmend gefährdet. Reichte es bis vor einigen Jahren noch, dass 2.000 Kunden im Einzugsgebiet lebten, müssen es heute schon 5.000 sein, einige Supermärkte und Ketten gehen noch höher, auf bis zu 20.000 Menschen die mindestens in einem direkten Einzugsbereich leben müssen, bevor sie einen „Store“ eröffnen (mutmasslich hat man „Ladengeschäft“ durch Store ersetzt, da das effizienter ist – sic). Das sorgt für zunehmenden Frust unter Dorfbewohnern und für teilweise handelsleere Dorfzentren.

Aber selbst Innenstädte größerer Städte sterben zunehmend aus. Auch hier ist es eine Übertreibung der industriellen Struktur die dazu führt. Aufgrund immer stärkerer Konzentration in effiziente Systeme, überleben zunehmend nur die, die am effizientesten sind. Das hat im industriellen Zeitalter zu einer Hochphase der Kaufhäuser geführt. Aber selbst diese sind abgelöst worden von neuen Strukturen, die wiederum effizienter sind. Eins der effizientesten Geschäftsmodelle scheint übrigens der Vertrieb von Telekommunikations-Verträgen zu sein. Sie sind oft die letzten Mieter in Einkaufsstraßen.

Internet bringt altbekannte Mikrostrukturen in neuer Form.

Der diffundierenden Vielfalt in den Innenstädten trat dann tatsächlich das Internet entgegen. Hier bot sich auf einmal mehr Vielfalt als in den Innenstädten, die heute, vor allem wenn sie eine Mall bieten, nach dem Motto „Kennst Du eine, kennst Du alle“ funktionieren. Dieser zunehmenden Egalisierung, bot das Internet eine „altbekannte“ Vielfalt, vieler scheinbar kleinerer Anbieter, nur in neuer Aufmachung. Jeder noch so kleine Laden, kann derzeit einen rentablen Online-Shop betreiben. Wobei auch hier bereits effiziente Strukturen durch einige große Marktplätze einziehen, aber die Kleinen gewinnen in der Menge, mit steigender Tendenz.

Ein Beispiel: In den USA haben (lt. CNN) die fünf größten Nahrungsmittelkonzerne 30% ihres Börsenwertes verloren, da viele kleine Anbieter, teilweise mit gut vermarkteten Craft-Modellen (also handwerklich hergestellten Produkten, aber das darf man nicht so nennen, sonst funktioniert der Zauber nicht) den Markt zunehmend für sich gewinnen.

Millennials als Zielgruppe denken, handeln und kaufen anders.

Dabei muss man hier einen Blick auf die sich ändernde Zielgruppe werfen. Mit den Millennials hat zum ersten Mal eine Zielgruppe demographische die größte Kaufkraft, die nicht mehr primär von industriellen Idealen geprägt ist. Sie gelten als „Digital Natives“, entsprechend legen sie viel größeren Wert auf Kreativität und selbstbestimmtes Handeln, als die bisher Kaufkraft stärksten Zielgruppen. Und damit verschieben sich auf einmal auch „Handelsstrukturen“.

Gesucht wird jetzt zunehmend weniger „rein“ nach Preis und Verfügbarkeit, sondern vielmehr eine komplex definierte Mischung aus Preis, Verfügbarkeit, Kreativität, Verständnis (Produkte wollen von dieser Zielgruppe verstanden werden), Transparenz (wer, woher, wie) und gesamtgesellschaftlicher Ethik, sprich: ich kaufe es nur, wenn es nicht erkennbar der Gesamtgesellschaft schadet.

Je nach Sozialisierung, bewegt sich diese neue Zielgruppe mal mehr in die eine, mal in die andere Richtung der aufgezeigten Parameter. Oft ist das auch von individuellen Affinitäten zu bestimmten Produkten abhängig. Das macht diese Zielgruppen auch bis heute undefinierbar, da es sich um ständig wechselnde Typologien handelt.

Handel der Zukunft in Stadt und Land.

Die Digitalisierung wird also in Zukunft immer mehr Egalität zwischen Stadt und Land herstellen. Das passiert jetzt nicht über Nacht, aber wir können bereits heute erste Regionen ausmachen, in denen sich dieser Trend bereits zeigt. In bereits fünf bis sieben Jahren, werden viele Regionen, die heute noch abgeschieden sind, diesem Trend folgen – mit der Voraussetzung, das irgendwer hier in Deutschland endlich beschließt unsere digitale Strukturversorgung per Kabel und mobil aus dem „zweite-Welt“ Status heraus zu befördern.

Auf diese Egalität treffen neue Zielgruppen, die diese neuen selbstbestimmten und fraktalen Möglichkeiten für sich selbst gerne zurecht legen. Angebote werden demnach zukünftig nicht mehr nach Stadt und Land unterschieden, sondern sich gleichermaßen an alle Menschen richten.

Dabei ist weiterhin zu beachten, dass viele Handelsstrukturen sich automatisieren werden. So wird es viele alltägliche Verbrauchsgüter geben, wie Milch, Toilettenpapier, Zahnpasta, Getränke, die werden wir nicht mehr einkaufen. Diese werden zunehmend selbstständig nach Hause kommen. Das erfordert natürlich logistisch ausgereifte und weitreichende Systeme, die auch auf dem Land nicht nur täglich, sondern in Zeitfenstern mehrmals am Tag zustellen können. Die technologische Basis hierfür ist vorhanden. Allein, es fehlt hier an Nachfrage und gesellschaftlichem wie politischem Druck. Wenn aber in den Regionen, wo bereits heute der Trend zum Land geht, erst einmal Erfolge erkennbar sind, werden zunehmend weitere Regionen folgen. Durch die Gesamtzunahme des logistischen Verkehrs, werden zudem weitere Einsparungen erfolgen mit der Folge eines sich immer weiter verbessernden Angebotes.

Auch wird es zunehmend integrale Logistikkonzepte geben, in denen verschiedene Anbieter zusammen arbeiten. Also auch hier eine Auflösung einzelner Großstrukturen. Diese großen Strukturen werden uns zu Beginn noch helfen diesen Trend zu unterstützen, langfristig aber werden immer mehr, auch regionale kleinere Konzepte, ineinander greifen. Auch hier hilft die Digitalisierung der allgemeinen Vernetzung.

Allgemeine Grundversorgung in Stadt und Land

Analog zur Entwicklung des Handels, wird auch die allgemeine Grundversorgung wieder zurück aufs Land kommen. Auch hier sind einige Regionen wieder Trendsetter. Dort bietet ein gutes Beispiel die Behörden. In einige Regionen können sich die Mitarbeiter von Behörden die Wohnungsmieten im urbanen Bereich nicht mehr leisten. In der Folge ziehen erste Behörden wieder in die ländlichen Strukturräume, siedeln sich dort an und damit auch deren Mitarbeiter. Es sind Anfänge in diesem Zusammenhang zu erkennen, aber es werden mehr. Auch hier hilft die Digitalisierung, dass diese Prozesse möglich sind und die Behörde, trotzt mehrerer Standorte, noch genauso gut zusammen arbeiten kann wie bisher.

Auch die Gesundheitsversorgung kommt wieder in die Region. Aber eben nicht, wie wir sie bisher kannten. Sondern in einer Mischung aus digitaler und persönlicher Fürsorge. Digital und per Videotelefonie bei vielen Grundkrankheiten. Hier werden digitale Devices wie „Smartwatches“ aber auch noch weitere, noch zu etablierende, Technologien eine zusätzliche Unterstützung bieten. Stellen Sie sich einmal vor, dass diese Systeme heute schon so intelligent sind, dass sie beispielsweise eine Erkältung selbstständig erkennen, möglicher Weise sogar bevor sie ausbricht und autark oder, je nach Schwere die festgestellt wird, gemeinsam mit einem Arzt, eine Therapie vorschlagen und aktiv auf die Person zugehen, bevor diese merkt, dass sie krank ist. Das ist freilich nur ein Beispiel von unendlich vielen möglichen Szenarien in diesen Feld, es soll aber vor allem verdeutlichen, dass wir neu denken müssen. Und das betrifft die gesamte Versorungsstruktur.

Die Digitalisierung bringt uns viele Annehmlichkeiten „von früher“ wieder zurück – nur in einer vollkommen neuen Form. Denken Sie nach.

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